Kulturwandel in der Wissenschaft nötig
Vor sechs Jahren haben sich die großen deutschen Forschungsinstitute und die Hochschulrektorenkonferenz darauf verständigt, mehr Chancengleichheit in der Wissenschaft umzusetzen. Die Ziele sind bis heute nicht erreicht, so der Wissenschaftsrat in einer Bestandsaufnahme.
In der „Offensive für Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“ hatten sich die deutschen Wissenschaftsorganisationen 2006 darauf verständigt, bis zum Jahr 2011 den Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wissenschaft deutlich anzuheben. Erreicht wurde das bislang nicht, mahnte der Wissenschaftsrat, das wissenschaftspolitische Beratungsgremium von Bund und Ländern, nun: „Zwar gibt es einzelne Erfolge zu vermelden, die erzielten Fortschritte sind insgesamt jedoch maßgeblich hinter den Vorstellungen zurückgeblieben“, erklärte Professor Wolfgang Marquardt, Vorsitzender des Wissenschaftsrates. Ohne einen Kulturwandel in den Organisationen und Einrichtungen werde Chancengleichheit in der Wissenschaft nicht zu erreichen sein, betonte Marquardt. Dieser Kulturwandel müsse von den Leitungsebenen „initiiert, konsequent gefordert und über die einzelnen Einrichtungsebenen hinweg kommuniziert werden.“
Zielquoten nach dem Kaskadenmodell
Deshalb spricht sich der Wissenschaftsrat nicht nur dafür aus, die Offensive für Chancengleichheit fortzusetzen, sondern auch „ehrgeizigere Etappenziele auf dem Weg dorthin (zu) setzen.“ Konkret wird die Einführung von Zielquoten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen empfohlen, die sich am Kaskadenmodell orientieren. Das heißt, der angestrebte Frauenanteil auf einer Hierarchiestufe richtet sich jeweils nach ihrem Anteil an der Qualifikationsstufe darunter. Beispielsweis soll der Anteil von Professorinnen in einem Fach dem Anteil von Juniorprofessorinnen und habilitierten Frauen in diesem Fach entsprechen. Auch in den Schlüsselgremien der Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Wissenschaftsorganisationen sollte der Anteil von Frauen mindestens bei 40 Prozent liegen. „Liegt ihr Anteil unter dieser Schwelle, dann steigt das Risiko, dass wissenschafts- und fachpolitische Entscheidungen nicht geschlechterunvoreingenommen getroffen werden“, schreibt der Wissenschaftsrat in seiner Bestandaufnahme.
Flexiblere Arbeitszeiten und bedarfsgerechte Kinderbetreuung
Damit mehr Frauen in der Wissenschaft erfolgreich sind, sei es zudem dringend erforderlich, die Lebensphase nach der Promotion für eine Familiengründung zu öffnen. Es sei nicht akzeptabel, dass eine wissenschaftliche Karriere „nur um den Preis der Kinderlosigkeit“ erreichbar scheint, mahnt der Wissenschaftsrat. Beispielsweise würden Arbeitsverträge mit längeren Laufzeiten mehr Planungssicherheit geben. Für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollten mehr Kinderbetreuungsplätze in räumlicher Nähe zum Arbeitsplatz geschaffen und eine Betreuung auch in den Abendstunden gesichert sein. Zudem müssten Angebote zur flexiblen Arbeitszeitregelung weiter ausgebaut werden.
Weitere Informationen:
Wissenschaftsrat: Fünf Jahre Offensive für Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – Bestandsaufnahme und Empfehlungen
Beschluss „Offensive für Chancengleichheit“ von 2006